Ray Brown
Den ersten Baß, den Ray Brown für seinen ersten Clubauftritt im Alter von 17 Jahren spielte, hat er gestohlen. Naja, eigentlich hat er ihn sich nur verbotenerweise von der Musikabteilung seiner High-School ausgeliehen. Seit diesem ersten Auftritt hat sich Ray Brown in den Augen der Musiker und Kritiker des Jazzbusiness zum "weltbesten Bassisten" entwickelt.
In seiner über 40 jährigen Karriere spielte er mit seiner "zu groß geratenen Violine" in jedem wichtigen Nightclub, auf fast allen Festivals, und mit jedem großen Star des Jazz: Frank Sinatra, Billy Eckstine, Tony Bennett, Ella Fitzgerald, Sarah Vaughan, Billie Holiday, Charlie Parker, Lester Young, Oscar Peterson, Dizzy Gillespie, Louis Armstrong, ad infinitum.
Ray Brown wurde 1926 in Pittsburgh geboren. Mit acht Jahren erhielt er Klavierunterricht. Als er in die High-School kam, war er ein guter Pianist - der leider das Üben haßte. Auf den Kontrabaß wurde er aufmerksam, als er feststellte, daß drei Bässe im High-School-Orchester verfügbar waren, aber nur zwei gespielt wurden. Er übernahm den dritten Baß weil er davon überzeugt war, daß er leichter zu spielen sei als das Klavier. Dies war sein erster großer Fehler...
Sein zweiter Fehler war, daß er eine Konzertankündigung mit Photo für seinen ersten Auftritt in der Zeitung drucken ließ. Dies war der Zeitpunkt als sein Musiklehrer herausfand, daß sein Protegé nicht nur strebsam war, sondern auch seinen Lebensunterhalt mit dem Schul-Bass verdiente! - Die Folge war, daß Ray Browns Vater ihm einen eigenen Baß kaufen mußte.
Er lernte das Basspielen nach dem Gehör und begann mit einigen anderen Musikern aus Pittsburgh herumzuexperimentieren. Sein neues Instrument zog ihn derart in den Bann, daß er es nach der Schule mit nach Hause nahm und sogar übte! Ausgerüstet mit seinem eigenem Baß und seinem High-School Diplom trat er dem Jimmy Hinsley Sextett bei und war mit dieser Gruppe sechs Monate auf Tournee. Nach Jimmy Hinsley folgte die Band von Snookum Russel mit der er in den großen Clubs der Vereinigten Staaten spielte.
Ray Browns Können auf dem Baß, sogar in den Anfängen seiner musikalischen Karriere, verschaffte ihm die Aufmerksamkeit der Jazzkritiker und Musiker. Mit 20 verließ er Russels Band um als freischaffender Spieler seinen Weg in die "Big Time" Jazz Szene New Yorks zu finden.
Nach einer 24 stündigen Busfahrt von Miami nach New York, stellte Ray Brown seine Habseligkeiten bei einer Tante unter, aß eine Kleinigkeit und war schon auf dem Weg Richtung 52nd Street und Times Square. Die größten und besten Talenten der Welt traten in den verschiedenen Clubs der 52nd Street auf - Art Tatum, Billie Holiday, Billy Daniels, Dizzy Gillespie, Charlie Parker. Kaum vier Stunden in New York wurde er Dizzy Gillespie vorgestellt.
Rays Ruf als Musiker war ihm nach New York vorausgeeilt und Dizzy lud den jungen Bassisten zu einem Vorspiel am nächsten Tag ein. Ray spielte sich für Dizzy die Finger wund. Er wurde engagiert und war die nächsten zwei Jahre festes Mitglied der Dizzy Gillespie Band: mit Dizzy Gillespie an der Trompete, Charlie Parker am Saxophone, Bud Powell am Klavier, Max Roach am Schlagzeug und Ray Brown am Baß. Diese Band aus herausragenden und innovativen Musiker kreierte zusammen einen neuen, bahnbrechenden Stil - den BeBop.
In der Zeit mit Dizzy Gillespie tourte Ray Brown nicht nur durch die ganzen Welt, sondern fing auch an seine eigene Musik zu schreiben. 1948 verließ er Dizzy um mit Hank Jones und Charlie Smith sein eigenes Trio zu gründen. Unter den großartigen Talenten, die Ray Brown während seiner Zeit mit Dizzy Gillespie traf war auch Ella Fitzgerald, die Ray später heiraten würde. Zu dieser Zeit entdeckte Ray auch "Jazz At The Philharmonic" - und wurde selber von Norman Granz entdeckt.
Eines Abends in New York kam Ray in die Carnegie Hall, um "Jazz At The Philharmonic" zu hören. Er stand beim Bühnenaufgang und sah dem Orchesteraufbau zu. Showtime kam und der JATP-Bassist war nicht rechtzeitig für das erste Set erschienen. Einige Musikerfreunde, die Ray bei der Bühne gesehen hatten, machten Norman Granz auf ihn aufmerksam. Granz wiederum zwang Ray Brown regelrecht für den fehlenden Bassisten einzuspringen. Dieser Zufallsauftritt markierte den Beginn einer 18 Jahre dauernden Zusammenarbeit mit Norman Granz und "Jazz At The Philharmonic". In den 18 Jahren auf Tour mit JATP spielte Ray in jedem wichtigen Konzertsaal in Europa, dem Fernen Osten und den Vereinigten Staaten.
Unter den vielen Musikern, die Ray durch JATP traff, sollte einem eine besondere Bedeutung für Rays Karriere zukommen: dem Klaviervirtuosen Oscar Peterson. 15 Jahre arbeiteten Ray Brown und Oscar Peterson zusammen - bis sich 1966 das Klavier Trio auflöste.
Seine Tournee-Erfahrungen mit "Jazz At The Philharmonic" und dem Oscar Peterson Trio beschreibt Ray Brown so: "... die Europäer nehmen Jazz ernster. Sie sehen in unserer Musik einen wichtigen kulturellen Beitrag zur Gesellschaft und behandeln sie mit Würde und Respekt. Mit "Jazz At The Philharmonic" und Oscar auf Tour zu sein, war eine meiner wichtigsten Erfahrungen in meiner Karriere. Ich hatte die Gelegenheit mit einigen der bedeutensten Musikern zusammenzuspielen und habe jede größere Hauptstadt der Welt besucht - und dies beinahe 20 Jahre am Stück."
In den fünfziger Jahre, 1952 um genau zu sein, traf Ray Brown auf einen jungen, ambitionierten Trompeter namens Quincy "Delight" Jones der in der Lionel Hampton Band spielte. Obwohl sie in den nächsten 10 Jahre nicht zusammenspielen sollten - Ray gehörte bereits zu den Großen, als Quincy seine Karriere begann - verband sie eine Freundschaft und Partnerschaft, die zwanzig Jahre überdauerte. Zeitweise war Ray Brown sogar Quincy Jones Manager.
In den späten Sechzigern, nachdem Ray Oscar Peterson verließ, zog er nach Los Angeles: "... es gab nur zwei Möglichkeiten, entweder du bist in New York oder in Los Angeles wenn du für Film und Fernsehen spielen und komponieren willst. Also warum nicht LA? Wo sonst kann man das ganze Jahr Golfspielen und trotzdem seinen Lebensunterhalt mit der Musik verdienen?"
In den Anfängen seiner Solokarriere komponierte Ray seinen bekannten "Gravy Waltz". Als Herb Ellis, ehemaliges Mitglied der Steve Allen Show Band, die Melodie hörte, spielte er sie Steve Allen vor. Dieser rief Ray an und fragte ihn, ob es in Ordnung wäre, wenn er einen Text zu Rays Melodie schrieb. Das Stück wurde Steve Allens Erkennungsmelodie und gewann Ray einen Grammy. Dieser Grammy Award war einer der ersten, von vielen die noch folgen sollten.
Viele andere berühmte Shows haben sich ebenfalls auf Rays Musik verlassen: The Joey Bishop Show, Red Skelton Show, Smothers Brother oder die Merv Griffin Show.
Wenn er nach seiner großen Liebe - dem Baß - gefragt wird, macht Ray Brown kein Geheimnis daraus, daß er Jimmy Blanton und seine Arbeiten mit Duke Ellington verehrt. 1973 erhielt er die Gelegenheit seiner Verehrung Ausdruck zu verleihen, in dem er sein erstes Album mit dem Duke für das Pablo Label einspielte.
Einen weiteren Traum konnte Ray sich erfüllen, als er und Quincy Jones ihre kreative und geschäftliche Energie zusammenbrachten um einen Tribut an Duke Ellington für den Fernsehsender CBS zu produzieren, "Duke Ellington, We Love You Madly!" "Wir wollten, daß der Duke wußte wie sehr wir ihn liebten und verehrten und wieviel er für jeden Musiker bedeutete der jemals ein Instrument zur Hand genommen hat. Ich bin froh, daß wir die Gelegenheit hatten unseren Dank zum Ausdruck zu bringen während der Duke noch unter uns weilte und es genießen konnte..."
In seiner Heimat Los Angeles genießt Ray Brown die Vorzüge zweier Welten. Wenn er nicht gerade auf Tournee in der Weltgeschichte herumreist, oder für Film und Fernsehen schreibt, gibt es für ihn nichts besseres als eine erholsame Runde Golf - mit Ausnahme seiner zweiten Frau Cecelia.
Aber seine Aufgaben umfassen noch weit mehr: er war der Bassist bei den Frank Sinatra Specials, Ansprechpartner für die Hollywood Bowl Association wenn es um Jazzkonzerte geht, war Direktor des Monterey Jazz Festivals, etc.. In seiner Karriere wurde er mit unzähligen Preisen ausgezeichnet, darunter die All-Stars Poll von Playboy, die er seit ihrer Einführung 1958 regelmäßig gewonnen hat, Grammy Awards, DownBeat Reader's Poll Awards, Jazz Critic's Poll Awards und so weiter.
Auch heute noch wollen alle großen Musik-Stars Ray Brown an Ihrer Seite wissen, wenn es um wichtige Aufnahmen oder Konzerte geht: Natalie Cole ("Unforgettable"), Andre Previn, Itzhak Perlman, Lalo Schifrin ("Jazz Meets the Symphony"), Dee Dee Bridgewater ("Dear Ella"), Diana Krall usw. Aber nicht nur im Jazzbereich ist Ray Brown allgegenwärtig, auch in anderen Musikrichtungen ist er präsent, so hat z.B. Sting nach der "Bassschule", die Ray Brown in den sechziger Jahren verfaßt hat, sein Instrument erlernt. Trotz der vielen Anfragen und Angebote gilt Rays Hauptinteresse dem "RAY BROWN TRIO" und der Weiterentwicklung des Triosounds - sein Trio gilt für viele sogar als der legitime Nachfolger des legendären Oscar Peterson Trios.
Es war ein weiter Weg für Ray Brown, Musiker par excellence, von seinem ersten Trio in Pittsburgh, mit geliehenem Baß, bis heute. Aber jetzt zählt er zu den letzten großen Legenden des Jazz und die Geschichte und Geschichten um Ray gehen weiter.